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Anmeldungsdatum: 06.11.2006 Beiträge: 4267 Wohnort: Zerf
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Verfasst am: 02.12.2006 12:49 Titel: Stalker im Studentennetz StudiVZ |
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Stalker im Studentennetz
von Alfred Krüger, 02.12.2006
Schwere Vorwürfe gegen das Studentenportal StudiVZ
Das Internetportal StudiVZ, ein virtueller Treffpunkt für Studenten, ist massiv unter Beschuss geraten. Die Plattform besitze gravierende Datenschutzmängel und Sicherheitslücken, sagen ihre Kritiker. Den Betreibern werden die Duldung sexistischer Gruppen und eine selbstherrliche Rechtfertigungsrhetorik vorgeworfen. Studentenvertreter warnen inzwischen vor StudiVZ.
Soziale Mitmach-Netzwerke wie MySpace oder YouTube haben Konjunktur - ihre deutschen Ableger auch. Einer davon ist StudiVZ, ein Internetportal, auf dem sich jeder Student eine eigene Webseite inklusive Fotoalbum und Gästebuch anlegen kann. Gleichzeitig lässt sich die Plattform nach Freunden durchsuchen. Die Mitglieder können sich vernetzen und miteinander "gruscheln" - ein von den Betreibern erfundenes Kunstwort aus "grüßen" und "kuscheln".
Eine Million Mitglieder
StudiVZ wurde im Oktober letzten Jahres gegründet und schnell bekannt. "Jeder hat davon gesprochen", sagt Katharina Steiner, Sinologie-Studentin an der Uni Würzburg und seit vier Wochen auf dem virtuellen Campus immatrikuliert. Eigentlich wollte die Studentin über StudiVZ nur eine chinesische Sprachpartnerin finden. Doch die Suchmöglichkeiten, die das Portal zu bieten hat, sind verlockend. "Man kann nach ehemaligen Mitschülern, die man aus den Augen verloren hat, fahnden und sehr viel Zeit auf dieser Plattform zubringen", erklärt die Würzburger Studentin.
StudiVZ erlebte innerhalb kürzester Zeit ein enormes Wachstum. Mittlerweile zählt die Community laut Betreiberangaben mehr als eine Million Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie erreicht in diesen Ländern rund ein Drittel aller Studenten, schätzt die Holtzbrink Ventures GmbH, einer der Geldgeber, die StudiVZ derzeit mit Millionenbeträgen finanzieren. Seit Ende September 2006 gibt es auch in Ländern wie Polen, Frankreich, Italien und Spanien virtuelle StudiVZ-Filialen.
Mit der Größe wuchsen die Probleme. Seitenaufrufe dauerten wegen überlasteter Server kleine Ewigkeiten. Zuweilen war die Seite überhaupt nicht zu erreichen. Hinzu kamen eklatante Sicherheitslücken, die es etwa ermöglichten, auf persönliche Daten und Bilder, die für den öffentlichen Zugriff gesperrt waren, zuzugreifen. Zudem ließen sich die Mitgliederdaten mit so genannten Crawlern automatisch auslesen - ein Problem, mit dem auch andere soziale Netzwerke zu kämpfen haben.
256 Euro für ein Sicherheitsleck
Die StudiVZ-Betreiber zeigten sich gegen Kritik zunächst immun. Sie wiegelten ab, redeten Probleme klein und erklärten ihre Kritiker zu Spielverderbern und willfährigen Handlangern der neidischen Konkurrenz. Doch diese Strategie verfing nicht. Besonders aus der Blogger-Szene häuften sich Meldungen über Sicherheitslücken und Datenschutzmängel.
"StudiVZ hat sich zum Ziel gesetzt, die Sicherheit seines Angebots weiter aktiv zu verbessern, nachdem (...) in den vergangenen Wochen wiederholt Kritik geäußert wurde", lenken die StudiVZ-Betreiber inzwischen zumindest in der Sicherheitsfrage ein. Man zahle jedem, der bei StudiVZ eine Sicherheitslücke melde, eine Belohnung von 256 Euro - billiger PR-Gag oder ernsthafte Läuterung in Sachen Sicherheit und Datenschutz?
In der Bloggerszene, die ein besonders wachsames Auge auf das Geschäftsgebaren der StudiVZ-Betreiber hat, tippt man auf rhetorische Schadensbegrenzung. Das bisher nahezu werbefreie Portal soll sich alsbald durch Werbung finanzieren und profitabel werden. Über einen möglichen Verkauf der gesamten Plattform einschließlich aller Nutzerdaten wird ebenfalls spekuliert. Schlechte Presse, sinkende Mitgliederzahlen und datenschutzrechtlich sensibilisierte Nutzer machen sich bei Verkaufsverhandlungen schlecht.
Skandale und Entgleisungen
Derweil wird StudiVZ-Mitgründer Ehssan Dariani nicht müde zu betonen, dass man sich strikt an das geltende Datenschutzrecht halte. "In Deutschland herrschen die härtesten Datenschutzgesetze der Welt. Diese übertreffen wir in vielem. Wir haben unseren Sitz in Berlin. Nicht auf den Bahamas. Und nichts ist für die Nachhaltigkeit des StudiVZ wichtiger als das Vertrauen unserer Studis."
Dabei sorgte gerade Dariani im Juli dieses Jahres selbst für eine nachhaltige Störung dieser Vertrauensbasis. Ihm gehört die Domain "voelkischer-beobachter.de", die er benutzte, um zu seinem Geburtstag einzuladen und die Erfolge seiner Firma zu feiern - mit einer umgestalteten Titelseite des nationalsozialistischen Propagandablattes. Daneben wurden Videos bekannt, die Dariani von Frauen in U-Bahnen und in einer Toilette gedreht hatte. Dariani entschuldigte sich später öffentlich für dieses Verhalten.
Wenig Vertrauen erweckend ist auch ein Vorfall, der erst kürzlich aufgedeckt wurde. Rund siebenhundert männliche Studenten hatten sich auf StudiVZ zu einer Gruppe zusammengeschlossen, um "besonders geile Schnitten" aus dem umfangreichen StudiVZ-Katalog herauszusuchen und die Studentinnen dann "gemeinschaftlich zu gruscheln".
Kollektives Cyber-Stalking
In ihrem Forum versorgten sich die offenbar spätpubertäre Not leidenden Herren mit Gruscheltipps und tauschten die Daten besonders attraktiver Studentinnen aus. Deren Bilder wurden auf den Gruppenseiten veröffentlicht und "kommentiert". Anschließend wurden "Miss StudiVZ"-Wahlen durchgeführt. Die betroffenen Studentinnen wussten davon nichts.
"Spielverderber", die sich beschweren, weil ihnen solche "Männerscherze" zu weit gehen, gibt es überall - so auch im Fall des virtuellen Herrenclubs auf StudiVZ. Die Betreiber reagierten prompt. Sie ermahnten die Männergrüppler, ihre öffentliche Gruppenbeschreibung weniger pornografisch abzufassen, und baten anschließend selbst um Aufnahme in diese Cyber-Stalking-Gruppe.
Stalking werde auf StudiVZ nicht geduldet, erklärte ein StudiVZ-Sprecher, nachdem die Gruppe aufgeflogen war. Grundsätzlich stehe das Portal für Meinungsfreiheit und Kommunikation, was aber nicht für Stalking missbraucht werden dürfe. Derzeit wird bei StudiVZ öffentlich über einen Verhaltenscodex für Mitglieder diskutiert. Ob es auch einen neuen Verhaltenscodex für Betreiber und Mitarbeiter gibt, war nicht zu erfahren.
Mittlerweile warnen einige Studentenvertretungen ihre Kommilitonen davor, StudiVZ zu nutzen. "Wegen der gravierenden Datenschutzmängel und sexistischer Vorfälle raten wir von einer Nutzung des StudiZV ab", heißt es etwa in einer Erklärung des Allgemeinen Studierendenausschusses der Freien Universität Berlin. "Studierenden, die über Accounts verfügen, empfehlen wir, diese zu kündigen. Hierbei sollten sie unbedingt darauf bestehen, dass ihre Daten komplett gelöscht werden."
Quelle: www.heute.de 02.12.2006
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